Our losses, our gains because of COVID 19: Netzwerkkonferenz Südliches Afrika – Deutschland

Am 8. Mai erinnern wir uns in Deutschland an das Ende des 2. Weltkriegs 1945 entweder als Tag der Kapitulation oder der Befreiung, je nachdem, aus welcher Perspektive wir die Welt betrachten.

Für den afrikanischen Kontinent vergingen noch weitere 15 Jahre, bis das erste Land formal unabhängig wurde. Doch letztendlich veränderte der Kolonialismus nur sein Gesicht und wurde zum Neokolonialismus oder Neoliberalismus und dergleichen. In Südafrika wurde 1948 die Nationale Partei gewählt, die den strukturellen Rassismus mit dem Namen Apartheid politisch festschrieb. Dieser wurde erst 1994 beendet.

Nach dem 2. Weltkrieg erhielten viele Menschen in Deutschland Care-Pakete („Cooperative for American Remittances to Europe“) aus den USA. Die Dankbarkeit, Hunger und Zerstörung überlebt zu haben, fand ihren Ausdruck unter anderem in Spenden über die Aktion Brot für die Welt oder in Gemeindepartnerschaften mit dem Globalen Süden. Etwas zurückgeben, helfen, unterstützen, jetzt, da es uns in Deutschland besser ging. Diese Reziprozität war geprägt von Wohltätigkeit, von Entwicklungs-Hilfe, manchmal auch von Solidarität und gegenseitigem Lernen.

Die deutschen Partner*innen in den Partnerschaften zwischen Deutschland und Südafrika trafen sich früher jedes Jahr in Stuttgart, gemeinsam organisiert von EMS und KASA – immer in der Hoffnung, dass wenigstens ein Gast aus dem Partnerland dabei sein würde.

Letztes Jahr wurde der Horizont erweitert, die SADC-Region in den Blick genommen und ein Referent – Father Michael Lapsley – eingeladen. Der Veranstaltungsort war auch diesmal Stuttgart.

Und dann kam die Pandemie – der Lockdown – das Herunterfahren des Lebens, wie wir es bis dato kannten.

Wir nahmen dies zum Anlass, die im April 2020 wegen Corona abgesagte Partnerschaftskonferenz noch einmal zu überdenken und neu zu erfinden, indem wir mit Partnerschaftsgruppen aus jeweils beiden Ländern Online-Meetings starteten, um die Veranstaltung gemeinsam zu planen und zu organisieren. Erstmal sahen wir uns gegenseitig, hörten einander zu und öffneten unsere Herzen und unseren Verstand. Wir erzählten unsere Geschichten, teilten unsere Trauer über die Pandemie und was sie mit uns, unserem Leben und unseren Lieben gemacht hat. Dies war möglich, indem wir Online-Tools nutzten, die uns inzwischen vertraut sind. Mit der Pandemie stellt sich die Frage nach Solidarität neu: Wer sind wir und wie können wir miteinander sprechen, Solidarität zeigen angesichts von Privilegien und ungleichen Machtverhältnissen? Wen übersehen wir, wer ist verstummt angesichts der Belastungen seelischer und körperlicher Art?

So entstand das Programm für den 8. Mai in Zusammenarbeit mit unseren Partner*innen. Die kurzen Videos, die wir als Anmeldung erbeten hatten, waren für Michael Lapsley Grundlage und Bezugsrahmen seines Vortrags. Mit Colleen Cunningham und Heike Bosien reagierten zwei Frauen aus ihrer jeweils persönlichen Perspektive direkt auf den Input von Michael Lapsley.

So persönlich die Vorbereitungsphase war, so persönlich und teilweise emotional war auch die Konferenz selbst. Daher ist mein Rückblick auch entsprechend unsystematisch, eklektisch und höchst subjektiv.

Michael Lapsley begann mit seinem eigenen Schmerz, seinem Verlust. Eine Briefbombe hatte ihm 1990 beide Hände und ein Auge weggerissen. Händeschütteln war ihm daher nicht mehr möglich und jetzt hat ihn die Pandemie auch noch jeder Umarmung beraubt. So habe jeder und jede eine eigene Geschichte zu erzählen. „Heilung beginnt damit, dass ich diese Geschichte erzählen kann und dass mir jemand zuhört“, so formulierte es eine Kollegin aus Südafrika bei einer anderen Konferenz. Not macht erfinderisch, und so haben wir uns mit dieser Konferenz ja auch auf den Weg gemacht, denen wieder zuzuhören, die verstummt sind.

Was ist eigentlich Gottes Traum und welche Rolle spielen wir in dessen Realisierung, fragt Lapsley und verweist auf die Ungerechtigkeit, die von der Pandemie aufgezwungenen Bewusstwerdung der eigenen Privilegien, der weißen Vorherrschaft (white supremacy).

Stop and see. Aber was? Müssen wir unsere Prioritäten verschieben, etwa in der Partnerschaftsarbeit? Fragt Lapsley uns, das Solidaritätsnetzwerk. Darüber müssen wir noch reden.

Colleen Cunningham, die sich selbst als Überlebende von COVID 19 bezeichnet und noch darunter leidet, berichtet, dass in ihrem Krankenhaus plötzlich Spiritualität gewachsen ist, das Bedürfnis an etwas zu glauben, das dem Schmerz gewachsen ist. „Wir haben unsere Unschuld verloren angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf die Schwachen der Gesellschaft“. Lapsley sagt dazu, dass Gottes Geist gerade die aufrüttelt, die es sich bequem gemacht haben, und die tröstet, die zerrüttet sind.

It is ok not to be ok. Wir müssen nicht mehr so tun, als wäre alles gut. Unsere Tränen, Überforderung, unsere Leiden sind sichtbar für andere, die Belastung zu schwer, um sie allein zu tragen. Das bedeutet auch umlernen, neu lernen und Überholtes vergessen, über Bord werfen. Und dabei niemanden zurücklassen.

Leave no one behind.

Audiomitschnitte