Jetzt auch in BaWü wieder möglich: Verbote von Grabsteinen aus Kinderarbeit

Am 27. Januar hat der baden-württembergische Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen (außer der AfD) einem Gesetzentwurf der Regierungskoalition zugestimmt, der es Kommunen ermöglichen soll, die Aufstellung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf ihren Friedhöfen rechtssicher zu untersagen.

Fehlversuch geheilt

Der letzte Vorstoß der damaligen grün-roten Koalition war am Widerspruch des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim gescheitert. Der kassierte mehrere kommunale Friedhofsatzungen ein, weil sie einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Steinmetz*innen darstellen. Begründung: Der Gesetzgeber hätte klarstellen müssen, welche Anforderungen an die Nachweise gestellt werden, mit denen belegt werden kann, dass die Steine tatsächlich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Diesen Einwänden hat man mit der Neuregelung Rechnung getragen. Der Fehlversuch von 2014 sollte also jetzt geheilt sein. Das ist erfreulich für die Kommunen, die seinerzeit verantwortlich handeln wollten und durch die VGH-Urteile wegen der unzureichenden gesetzlichen Grundlage zurückgepfiffen wurden. Aber es wäre mehr drin gewesen ...

Kommunalermächtigung vs. Verbot

Die baden-württembergische Regelung lehnt sich an die in Bayern an, der unter anderem auch Hessen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz gefolgt sind: Auch deren Bestattungsgesetze schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Kommunen in ihren Friedhofsatzungen ein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit aussprechen können. Im Interesse einer flächendeckenden Umsetzung wesentlich wirksamer wäre ein gesetzliches Verbot nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens gewesen. Aber noch nicht einmal an eine Soll-Regelung – wie in Niedersachsen – wollte man sich in Baden-Württemberg heranwagen. Nun hängt der Erfolg der Initiative leider ganz davon ab, dass möglichst alle Kommunen im Land von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen.

Unbedenkliche Herkunft oder bewährtes Zertifikat

Wenn ein kommunales Verbot ausgesprochen wird, müssen für alle Grabsteine und Grabeinfassungen, die nicht nachweislich aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weiteren Vertragssaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz stammen, Nachweise erbracht werden, dass sie ohne Einsatz schlimmster Formen der Kinderarbeit entsprechend ILO-Übereinkommen 182 hergestellt worden sind.

Der Nachweis ist erbracht, wenn „durch ein bewährtes Zertifikat bestätigt wird, dass die verwendeten Steine in der gesamten Wertschöpfungskette ohne Einsatz schlimmster Formen der Kinderarbeit hergestellt wurden.“ Bewährte Zertifikate müssen von einer Organisation vergeben werden, die von der Branche unabhängig ist – ein wichtiges Kriterium, auch wenn im Einzelfall Klärungsbedarf bestehen dürfte, was darunter zu verstehen ist. Die Vergabe der Zertifikate muss nach transparenten Kriterien und auf der Grundlage unangemeldeter Kontrollen vor Ort erfolgen. Als bewährt gelten insbesondere solche Zertifikate, denen „auf allgemein zugänglichen und anerkannten Plattformen nach Evaluation des Zertifizierungsprozesses […] Authentizität zugesprochen wird.“

Anerkannte Plattform?

Leider wird im Gesetzestext selbst nicht klargestellt, welche Plattformen als „anerkannt“ gelten können. Lediglich in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass „mit dem [...] Internetportal ‚Siegelklarheit.de‘ eine anerkannte Plattform zur transparenten Evaluation und Publikation angebotener Gütesiegel“ besteht. Das ist sicherlich richtig, aber Siegelklarheit.de wird im Gesetz nicht erwähnt. Eine andere (bessere) Option, um wirklich Klarheit über die anerkannten Nachweise zu schaffen, wäre die Einrichtung einer „anerkennenden Stelle“ nach dem Vorbild in NRW gewesen. Die aber war offenbar mit der CDU-Fraktion wegen der damit verbundenen Schaffung einer Planstelle im zuständigen (grünen) Sozialministerium nicht zu machen.

Eigenerklärung nur im Ausnahmefall

Sofern einem Händler die Vorlage eines bewährten Zertifikats „nicht oder nur unter unzumutbaren Belastungen möglich“ ist, kann er ersatzweise eine schriftliche Erklärung vorlegen, in der er versichert, dass ihm „keinerlei Anhaltspunkte“ für ausbeuterische Kinderarbeit bekannt sind. So weit deckt sich die neue Regelung in Baden-Württemberg mit denen in Bayern und anderen Bundesländern. Anders als dort müssen Händler in Baden-Württemberg aber nicht zusätzlich darlegen, welche „wirksamen Maßnahmen“ sie getroffen haben, um Kinderarbeit in ihren Lieferketten zu vermeiden. Im Zweifel genügt also eine einfache Eigenerklärung. Wie relevant dieses Defizit der baden-württembergischen Regelung ist, hängt davon ab, wie häufig anerkannt wird, dass die Vorlage eines Zertifikates wegen „unzumutbarer Belastungen“ nicht möglich ist. Tatsächlich sollten sich die Belastungen aber in Grenzen halten: Immerhin stehen in allen wesentlichen Herkunftsländern von Grabsteinen bewährte Zertifikate zur Verfügung.

Zu wünschen bleibt nun, dass viele Kommunen ihre Friedhofsatzungen entsprechend den neuen Möglichkeiten ändern und die vorgelegten Nachweise sorgsam prüfen – und viele Hinterbliebene sich für Grabsteine aus heimischen Materialien und handwerklicher Fertigung entscheiden.

Postscriptum

Auch jenseits des Themas Kinderarbeit herrschen in vielen Bereichen der Lieferkette schlechte Arbeitsbedingungen und es kommt zu Menschenrechtsverletzungen: Schuldknechtschaft, unzureichender Gesundheitsschutz und Löhne unter dem Existenzminimum sind Beispiele dafür. Eine Beschränkung auf die Vermeidung von Kinderarbeit greift also zu kurz – eigentlich. Trotzdem hat bisher kein Bundesland den Ausschluss von Grabsteinen auch aus anderen Gründen ermöglicht. Da war es gut zu wissen, dass die bekannten Naturstein-Zertifikate die Einhaltung aller Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) abprüfen – bis sich Fair Stone (aus nachvollziehbaren Gründen) dazu entschloss, das neue Siegel Fair Stone Monument aufzulegen: Es berücksichtigt nur den Ausschluss von schlimmsten Formen der Kinderarbeit (ILO 182) und Schuldknechtschaft (ILO 29 und 105) und wird gemäß § 4a des Bestattungsgesetzes in NRW für Grabstein-Importe aus China, Indien, Vietnam und den Philippinen vergeben.