Wie kommen wir dazu, endlich zu handeln und z. B. dem Klimawandel weitgehende Entscheidungen entgegenzusetzen, anstelle von minimalen Kompromissen. Das ist der Kerngedanke des Projektes „Den sozial-ökologischen Umbau lokal erproben“. In Heidelberg hat dazu inzwischen das zweite Treffen stattgefunden, um uns auf diesen Weg zu machen. Darüber hinaus hatte die WÖK die Gelegenheit, das Projekt in den letzten Wochen und Monaten bei mehreren Veranstaltungen vorzustellen, bzw. konnten Teilnehmer:innen die Herangehensweise ausprobieren. Dabei haben wir folgende Erfahrungen gemacht:
Die zwei größten Herausforderungen bestehen darin, dass es erstens bisher keine gemeinsame Vorstellung, kein gemeinsames Bild von einem guten Leben für alle gibt und zweitens, dass es bisher keine gesamtgesellschaftliche positive Stimmung für Veränderung, also für einen sozial-ökologischen Umbau gibt, geschweige denn, eine politische Mehrheit dafür.
Keine gemeinsame Vorstellung von einem guten Leben für alle
Nur wenige Menschen können sich bisher vorstellen, wie das funktionieren kann und wie es konkret in ganz Deutschland, in Europa und auf globaler Ebene aussehen kann, dass es allen Menschen gut geht. Bisher dominiert unser Wohlstandsdenken, dass Konsum und Besitz glücklich machen, ohne sehen zu wollen, dass ein „weiter so“ unsere Lebensgrundlagen zerstört.
Hier versuchen wir, die Teilnehmer:innen anzuleiten, anhand von allgemeinen Beispielen das große positive Potenzial für Veränderung erkennen zu können. Zum Beispiel die Haushaltsgegenstände: In einem Haushalt in Deutschland gibt es im Durchschnitt 10.000 Gegenstände: also Kleider, Geschirr, Möbel, Bücher, CDs, Werkzeug, usw. 5.000 von diesen Gegenständen brauchen wir nicht oder nur sehr selten. Wir produzieren also sehr viele Dinge, die wir nicht wirklich brauchen: Da es rund 40 Mio Haushalte gibt, kommen wir auf rund 40 Mio mal 5.000 Gegenstände. Das ist ein riesiges Veränderungspotenzial und kann mit weiteren Beispielen (Automobilität, durchschnittliche Wohnfläche …) noch verdeutlicht werden.
Was bedeutet Transformation anhand dieses Beispiels?
Wir stellen diese 5.000 Produkte nicht mehr her. Die freiwerdenden Ressourcen (Arbeitskräfte, Energie, Rohstoffe …) lassen wir in sinnvolle Projekte fließen: in den Aufbau erneuerbarer Energiesysteme, in die energetische Sanierung des Gebäudebestands, in unser Gesundheits- und Bildungssystem, in den Umwelt- und Naturschutz, in die Renaturierung versiegelter Flächen usw.
Weitere positive Effekte können sich daraus ergeben, dass z. B. viele LKW-Fahrten, viel Lärm- und Umweltbelastung wegfallen. Können Sie sich das vorstellen?
Erst wenn wir uns das gute Leben für alle vorstellen können, wenn wir daran glauben, dass wir es auch realisieren können, dann sind wir bereit für die Transformation. So wie die dicke, vollgefressene Raupe sich dann in einen Schmetterling verwandelt. Durch den sozial-ökologischen Umbau erreichen wir eine deutlich höhere Lebensqualität und viel mehr Menschen wird es besser gehen.
Noch keine positive Stimmung für Veränderung
Bisher gibt es keine gesamtgesellschaftliche positive Stimmung für Veränderung, für einen sozial-ökologischen Umbau, geschweige denn, eine politische Mehrheit dafür (Das hängt natürlich auch mit der bestehenden Wirtschafts- und Finanzlobby sowie unserer Medienlandschaft und der entsprechenden Berichterstattung zusammen. Das soll hier nicht thematisiert werden).
Einzelne, erste Ansätze aus der Politik gehen oft zu Lasten von Bürger:innen mit geringen Einkommen. Außerdem werden sie als Einschränkung unserer Freiheit bzw. Bevormundung wahrgenommen und abgelehnt, teilweise auch massiv bekämpft. Dass unser derzeitiger Wohlstand und Lebensstil in Freiheit nur auf Kosten von Menschen im globalen Süden, auf Kosten der Umwelt sowie der nachfolgenden Generationen möglich ist, wird ausgeblendet.
Um dieser zweiten Herausforderung begegnen zu können, braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz in zweierlei Hinsicht:
Neben den sozialen, ökologischen und ökonomischen Themen braucht es zwingend die Weiterentwicklung unserer Demokratie in Richtung Konsensverfahren und den Anspruch, die Diskrepanz zwischen dem globalen Norden und Süden schließen zu wollen (bisher sind das weitgehend nur Lippenbekenntnisse).
Damit eine Transformationsgruppe vor Ort eine spürbare Wirkung entfalten kann, braucht es Vertreter:innen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, z. B. aus Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden, aus der Stadtverwaltung und Kommunalpolitik, aus Kirchengemeinden, Bildung und Wissenschaft, Kunst- und Kultur, aus dem Medienbereich sowie aus Unternehmen. Eine Hauptaufgabe ist, aus allen Bereichen Vertreter:innen persönlich anzusprechen und für das Projekt zu gewinnen.
Wo sind wir bisher unterwegs?
In Heidelberg hat sich eine Kerngruppe gebildet und es haben zwei Treffen stattgefunden. Ein wichtiger nächster Schritt ist, weitere Teilnehmer:innen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu gewinnen. In Mannheim und Möckmühl konnten potenzielle Teilnehmer:innen das Projekt und die Herangehensweise kennenlernen. Mit der evangelischen Erwachsenenbildung Emmendingen gibt es mehrere online-Info-Veranstaltungen und Anfang März 2024 ist ein Workshop-Tag in der Nähe von Freiburg geplant. Auf den Mitmachkonferenzen der LEADER-Region Heckengäu wird das Projekt vorgestellt, um eine Gemeinde für die Umsetzung zu finden. Auf der neuen Plattform „Zukunftsfähiges Wirtschaften in Baden-Württemberg“ sind wir ebenfalls dabei. Es ist einiges in Bewegung.
Und falls Ihr Interesse geweckt wurde, selbst aktiv zu werden, dann gerne melden.
Joachim Langer