Von Joachim Langer | Die Klimakatastrophen nehmen täglich zu und bisher gelingt es Politik und Gesellschaft nicht, notwendige und grundlegende Änderungen in Gang zu bringen. Mit dem Projekt „Den sozial-ökologischen Umbau lokal erproben“ wollen wir auf lokaler Ebene versuchen, den Handlungsstau zu überwinden.
Dafür sind vier Schritte angedacht, hier stark zusammengefasst:
1. Transformation verstehen, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbaupotenzial sowie die positiven Auswirkungen des Umbaus erkennen.
2. Erkenntnisse und Ergebnisse des ersten Schrittes auf die lokale Ebene übertragen.
3. Die Zusammenhänge aller Themen in einem „Modell“ veranschaulichen.
4. Als Ergebnis des gesamten Prozesses den Entwurf einer lokalen ethischen Wirtschaftsordnung, einen Leitfaden für die Kommunalpolitik entwickeln.
In Heidelberg hat im Juli das fünfte Treffen stattgefunden und es erfolgte – auf Grundlage der Beispiele des Potenzials für Veränderung - eine erste Annäherung an eine ethische Wirtschaftsordnung. Ein Anwendungsbeispiel war unsere Automobilität in Deutschland: Meistens sitzt eine Person im Auto, um von A nach B zu kommen bewegt sie ein bis zwei Tonnen Material in Form eines Autos mit. Ein Auto wird durchschnittlich ein bis zwei Stunden täglich genutzt, den Rest des Tages steht es. Es gibt in Deutschland über 48 Millionen Autos für 84 Millionen Einwohner:innen. An diesen Hauptkritikpunkten an unserer Automobilität ändert der Einbau eines E-Motors erstmal nichts.
Wie müsste ein Auto gebaut sein und genutzt werden, damit es die Umwelt möglichst gering belastet? Wir bräuchten überwiegend Ein- bis Zweisitzer, die maximal 500 kg wiegen. Autos werden gemeinschaftlich vier bis zwölf Stunden täglich genutzt. Die Hälfte, ca. 24 Millionen Autos, sollte ausreichen.
Welche Vorteile hätte dieser „Umbau“ für uns:
Würden wir nur noch halb so viele Autos wie jetzt und mehr Kleinwagen produzieren, könnten wir sehr viel Geld, Ressourcen und Arbeitsleistung umwidmen. Das Geld, die Ressourcen und die freiwerdende Arbeitsleistung könnten wir viel sinnvoller und dem Gemeinwohl dienend in die Bereiche Bildung, Gesundheit, Pflege und Umweltschutz einbringen. Gehen Sie mal durch die Stadt und stellen sich vor, anstelle von jedem zweiten geparkten Auto würde ein schöner Baum wachsen, der im Sommer Schatten spendet und bei Starkregen wie ein Schwamm wirkt. Dieses Auto-Beispiel lässt sich auf andere Bereiche wie z. B. Haushaltsgegenstände und durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner:in mit entsprechendem Umbaupotenzial übertragen.
Vielleicht denken Sie jetzt „Ja, aber …“
Genau! Wenn wir uns so ein schönes Szenario vorstellen, kommt in der Regel zuerst ein „Ja aber, das geht nicht weil …“ An dieser Stelle ist ein wichtiger erster Schritt, das „Ja aber, …“ zu ersetzen durch ein „Es kann gelingen, wenn …“. Das Diskussionspapier des Sachverständigenrats für Umweltfragen vom März 2024 „Suffizienz als Strategie des Genug“, stellt umfassend dar, wie es allen Bürger:innen besser gehen könnte, indem wir Handlungsspielräume innerhalb der planetaren Grenzen bewahren und gestalten sowie die Freiheiten aller Menschen erhalten.
Die ethische Wirtschaftsordnung:
Wenn wir es mit den Menschenrechten, den SDGs und mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst meinen, dann hat die Politik die Verantwortung und die Verpflichtung, einen Rahmen zu schaffen und Gesetze zu erlassen, dass z. B. für große Autos deutlich mehr Steuern fällig werden und dass es für die Bürger:innen steuerlich attraktiv ist, sich z. B. um Carsharing, Job-Ticket, Mitfahrgelegenheit zu kümmern. Im Kleinen sind die Lösungen bereits da, es braucht den politischen Rahmen, damit umweltschonende Mobilität zum Standard wird. Wenn wir weniger Autos bauen und kaufen, dann haben wir auch das Geld, die Ressourcen aus dem globalen Süden fair zu bezahlen und dort zu einem umweltschonenden Abbau beizutragen. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes würde dazu führen, dass weniger Menschen im Globalen Süden flüchten müssten usw. Hier wird auch die Moral und eine ethische Verpflichtung deutlich, die wir daraus ableiten können.
Was kann die Kommunalpolitik machen:
Als erstes steht ein öffentlicher Diskurs zu den Vorteilen eines ganzheitlichen und ehrlichen Umgangs mit der Thematik an. In einem zweiten Schritt können erste Kampagnen und Projekte gestartet werden: Prämien, wenn Autos stillgelegt werden, Bäume pflanzen auf Parkplätzen, die aufgrund der Auto-Stilllegungs-Prämien nicht mehr gebraucht werden. Auch gibt es viele Beispiele, dass autofreie Straßen, Plätze und Innenstädte bei der Einführung oft auf große Widerstände trafen. Aber sobald die autofreien Zonen da waren und die Menschen die Ruhe, den Platz und die Sicherheit genießen konnten, dann waren alle damit zufrieden und konnten es sich nicht mehr anders vorstellen.
Die ganzheitliche Betrachtung, die Ehrlichkeit und die Offenheit, einen sozial-ökologischen Umbau durchzudenken, ist eine komplexe Angelegenheit und erfordert einen langen Atem. In Heidelberg machen wir dazu die ersten kleinen Schritte.