Online-Veranstaltung zum Lieferkettengesetz: Deutschland und Frankreich im Vergleich

„Deutschland und Frankreich im Vergleich – Was können wir aus den bisherigen Erfahrungen mit dem französischen Sorgfaltspflichtengesetz lernen?" lautete das Thema einer Online-Veranstaltung der Werkstatt Ökonomie am 2. Dezember. Im Zentrum stand die Vorstellung der Ergebnisse der Bachelorthesis von Meike Hofbauer, Praktikantin der WÖK.

Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in unseren Lieferketten führten in den letzten Jahren zum Tätigwerden einiger nationaler Gesetzgeber, um Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Auch Frankreich verabschiedete 2017 ein Sorgfaltspflichtengesetz.

Meike Hofbauer gab zunächst einen Überblick über die Inhalte des französischen Gesetzes und zog Vergleiche zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das in diesem Jahr verabschiedet wurde. Die französische Loi de Vigilance verpflichtet Unternehmen zur Aufstellung, Veröffentlichung und Umsetzung eines so genannten Überwachungsplans. Die Sorgfaltspflichten umfassen dabei die Menschenrechte, Grundfreiheiten, die Gesundheit und Sicherheit der Menschen sowie die Umwelt. Das Gesetz richtet sich an französische Gesellschafen mit 5000 Beschäftigten in Frankreich oder 10.000 weltweit. Es umfasst das Unternehmen selbst, Tochterunternehmen sowie Subunternehmen und Lieferant:innen mit etablierten, das heißt stabilen und regelmäßigen, Geschäftsbeziehungen. Das französische Gesetz sieht als Durchsetzungsmechanismus eine zivilrechtliche Haftung vor, nach welcher die Nichterfüllung der Sorgfaltspflichten zur Haftung des Verursachenden führt.

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Meike Hofbauer die Ergebnisse der Expert:inneninterviews mit NGOs in Uganda sowie dem ECCHR vor, die sie für ihre Bachelor-Arbeit geführt hatte. Grundlage hierfür waren zwei der vier Fälle, die in Frankreich bisher vor Gericht verhandelt werden: die Aktivitäten des französischen Ölriesen Total in Uganda und des französischen Energieunternehmens Éléctricité de France in Mexiko. Die Expert:inneninterviews zeigen, dass die französische Loi de Vigilance einen breiten Interpretationsspielraum lässt und NGOs sowie Betroffenen im Globalen Süden die Möglichkeit gibt, ihre Stimme in Frankreich laut werden zu lassen. Das Inkrafttreten der Loi de Vigilance hat zudem zu kleinen positiven Veränderungen auf Seiten der Unternehmen geführt. Gleichzeitig zeigen sich bei der Umsetzung noch einige Schwachstellen.

Eine große Hürde ist das Fehlen einer staatlichen Behörde, die die Veröffentlichung, Inhalte und Umsetzung der Überwachungspläne der Unternehmen beaufsichtigt und Sanktionen ergreifen kann. Dies übernehmen bisher französische Nichtregierungsorganisationen. In Deutschland stellt die Zuständigkeit einer staatlichen Behörde, des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), einen starken Durchsetzungsmechanismus dar. Außerdem weist auch die zivilrechtliche Haftung in der Loi de Vigilance noch Mängel auf: Bei ersten zivilrechtlichen Entscheidungen wurde das französische Handelsgericht für entsprechende Fälle als zuständig erklärt. Das französische Handelsgericht agiert unabhängig von anderen Gerichten und besteht ausschließlich aus Laienrichtern des Wirtschaftssektors, die von der eigenen Lobby gewählt werden. Zudem obliegt es den Geschädigten, Beweise für den entstandenen Schaden und einen Zusammenhang mit den vernachlässigten Sorgfaltspflichten des Unternehmens beizubringen. Für Betroffene ist dies eine große Herausforderung, da interne Informationen der Unternehmen nur schwer zugänglich sind. Des Weiteren ist in der Loi de Vigilance keine einstweilige Verfügung vorgesehen, die Projekte während gerichtlicher Prozesse vorläufig stoppt.

Dies alles führt dazu, dass sich das Gesetz bisher noch wenig auf die Einhaltung der Menschenrechte im Globalen Süden auswirkt. Die Hoffnung liegt nun auf der europäischen Ebene, um Schwachstellen der bisherigen nationalen Gesetzgebungen auszugleichen und deren Stärken zu vereinen. Die Veröffentlichung des Kommissions-Entwurfs für ein EU-Lieferkettengesetz wurde derweil auf März 2022 verschoben.

Die Veranstaltung endete mit einer bereichernden Diskussion der Teilnehmenden über die Stärken und Schwächen der beiden Sorgfaltspflichtengesetze und deren Reichweite sowie die Auswirkungen am Ende der Lieferkette.