Menschenrechts-Check: Deutsche Großunternehmen schneiden schlecht ab

In einer Studie des Business and Human Rights Resource Centre und der ZHAW School of Management and Law über die Achtung von Menschenrechten fällt das Ergebnis für die größten deutschen Unternehmen schlecht aus. Aktuell wird keines der Unternehmen den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vollumfänglich gerecht. Das zeigt einmal mehr: Freiwilligkeit reicht nicht aus, wenn es um Menschenrechte geht. Wir brauchen verbindliche Regeln für die Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten!

Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung ein Ziel vorgegeben: Bis 2020 sollen mindestens 50 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen über Richtlinien, Strategien und Prozesse verfügen, um ihre menschenrechtlichen Risiken und Auswirkungen zu identifizieren und zu mindern. Der aktuelle Koalitionsvertrag besagt, dass die Bundesregierung, sollte sich die freiwillige Umsetzung durch Unternehmen als unzureichend erweisen, national gesetzlich tätig und [sich] für eine EU-weite Regelung einsetzen“ wird. Die Erwartung ist klar: Deutsche Unternehmen sollen grundlegende Anforderungen an unternehmerisches Verhalten erfüllen, wie sie in den 2011 einstimmig vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) festgelegt sind. Laut dem Interpretationsleitfaden zu den UNGPs definieren letztere die Achtung der Menschenrechte als Grundverantwortung aller Unternehmen, wo auch immer sie tätig sind. Das Ergebnis der von der Bundesregierung vorgenommenen Bewertung wird für 2020 erwartet.

In diesem Zusammenhang veröffentlichen Business and Human Rights Resource Centre und ZHAW School of Management and Law eine aktuelle Bewertung der menschenrechtsbezogenen Transparenz der 20 größten deutschen Unternehmen. Grundlage für die Bewertung ist eine reduzierte Version des Corporate Human Rights Benchmark, der jedes Jahr von Aviva Investors, dem Business & Human Rights Resource Centre, Calvert Investments, der Eiris Foundation, dem Institute for Human Rights and Business und VBDO herausgegeben wird. Diese zwölf Kernindikatoren, genauer beschrieben im CHRB Core UNGP Indicator Assessment, können auf Unternehmen aus allen Sektoren angewendet werden und beschreiben eine „Untergrenze“ für die Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen.

Ergebnisse

  • Keines der Unternehmen erreichte bei jedem Menschenrechtsindikator mindestens einen Punkt. Für jedes Unternehmen stand bei mindestens einem Kernindikator der Wert null zu Buche, d.h. keines der größten deutschen Unternehmen weist nach, dass es die Bandbreite grundlegender Erwartungen aus den UNGPs voll erfüllt. Dieser Test kommt der Frage, ob die Unternehmen das Ziel der Bundesregierung erreichen werden, am nächsten.
  • 18/20 (90%) Unternehmen belegten nicht, wie und ob sie ihre Menschenrechtsrisiken ausreichend managen (menschenrechtliche Sorgfaltspflicht). Nur zwei Unternehmen, Daimler und Siemens, erhielten Punkte für alle vier Kernindikatoren, die sich mit Verfahren der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht befassen.
  • Das Unternehmen mit der höchsten Punktzahl war Siemens mit 14,5/24 Punkten (60%). Die Durchschnittspunktzahl betrug 10,1/24 (42%) und 6,0/24 (25%) war die niedrigste

Die Studie bewertet Informationen, die von den Unternehmen selbst offengelegt wurden. Transparenz von Unternehmen ist eine Grundvoraussetzung der UNGPs und die CHRB-Methodik trägt ihr Rechnung. Die Unternehmen wurden für jeden der zwölf Kernindikatoren zwischen null und zwei bewertet. Eine Punktzahl von eins bedeutet, dass sie die grundlegenden Anforderungen erfüllten, zwei bedeutet, dass sie darüber hinausgingen. Zwar ist es zu begrüßen, dass sich alle Unternehmen öffentlich zur Achtung der Menschenrechte im Allgemeinen verpflichtet haben, doch es bestehen laut Untersuchung erhebliche Mängel bei den von den Unternehmen beschriebenen Verfahren zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Die meisten Bewertungen von Menschenrechtsrisiken priorisierten weniger die schwerwiegendsten potentiellen Schäden für Betroffene, sondern scheinen sich eher auf potenzielle Schäden für das Unternehmen zu konzentrieren, z.B. Reputationsverluste. Darüber hinaus erfolgt die Identifizierung und Bewertung von Menschenrechtsrisiken oft auf sehr allgemeiner Ebene im Rahmen einer „Materialitätsanalyse“ von Nachhaltigkeitsthemen und ohne Einbeziehung potenziell Betroffener. Die Bewertung zuvor identifizierter menschenrechtlicher Risiken und Auswirkungen war einer der drei am schlechtesten bewerteten Indikatoren insgesamt. Für 17/20 Unternehmen stand hier der Wert null zu Buche.

Der Zugang zu Abhilfe im Schadensfall ist einer der schwächsten Bereiche. Nur 3/20 Unternehmen, Bayer, Metro und Thyssenkrupp, verpflichten sich öffentlich dazu, Abhilfe zu schaffen. Während alle Unternehmen über Beschwerdemechanismen verfügen, die es Mitarbeiter*innen ermöglichen, Anliegen und Beschwerden vorzubringen, stellen nur zehn von ihnen ansatzweise sicher, dass auch Mitarbeiter*innen von Lieferanten Zugang haben, und nur ein Unternehmen spezifiziert dies für potenziell betroffene Einzelpersonen und Gemeinschaften in Lieferketten.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Keines der größten deutschen Unternehmen hat laut Analyse durchgängig ein Grundniveau bei der Achtung der Menschenrechte erreicht, da keines von ihnen bei jedem Kernindikator punktet. Alle sind große globale Konzerne, viele mit hochkomplexen Lieferketten, wo das Risiko von Menschenrechtsverletzungen nachweislich hoch und verbreitet ist. Als größte Unternehmen in Deutschland haben diese 20 die Ressourcen und Anreize, um bei der Achtung der Menschenrechte eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Daher besteht kein Grund zu der Annahme, dass die von der Regierung analysierte breitere Gruppe deutscher Unternehmen nach der hier angewandten Methodik ein besseres Ergebnis erzielen würde.