Ein Begriff hat im vergangenen Jahr eine erstaunliche Karriere gemacht: Lieferketten. Mit Beginn der Corona-Pandemie musste man in Deutschland und Europa die ungewohnte Erfahrung machen, dass Dinge fehlten: Masken, Schutzbekleidung, Komponenten von Medikamenten, technisches Zubehör für die Industrieproduktion… Während das Virus ungehindert Grenzen überwand, waren diese für viele Waren plötzlich unüberwindlich. Lieferketten waren unterbrochen. Die Sorge richtete sich allerdings nur auf „unser“ Ende der Lieferketten.
Bei der Werkstatt Ökonomie waren Lieferketten schon lange vor der Pandemie ein Thema. Dabei ging und geht es nicht in erster Linie darum, was hier ankommt oder nicht ankommt, sondern darum, woher die Waren kommen und wie sie produziert werden. Also um das andere Ende der Lieferketten.
Dieser Tage wurde nach zähen und langen Diskussionen ein sogenanntes Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Dass die involvierten Ministerien sich endlich dazu bewegen ließen, ist auf den hartnäckigen Druck eines breiten Zusammenschlusses von Einrichtungen der Zivilgesellschaft zurückzuführen. Die Werkstatt Ökonomie war von Beginn an Teil dieser Initiative, da sie ein wichtiges Anliegen der Werkstatt zuspitzt und bündelt. Das Lieferkettengesetz zwingt zum Blick auf den Anfang der Lieferketten: Wo und wie werden die Güter produziert, die in unserem Alltag so selbstverständlich sind? Und was liegt dort im Argen? Zum Beispiel in den Arbeitslagern in Xinjiang, in den Textilfabriken in Bangladesch, in den Steinbrüchen in Indien. Und der Blick wird auf die Importeure dieser Güter gerichtet. Ihnen wird abverlangt, dass sie Verantwortung dafür übernehmen, wie ihre Waren produziert werden. Sie sollen – eigentlich selbstverständlich! – darauf achten, dass bei der Produktion keine Menschenrechte verletzt werden, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen anständig bezahlt werden, dass es keine Kinderarbeit gibt oder dass Ressourcen und Umwelt nicht über Gebühr beeinträchtigt werden.
Das nun endlich in Aussicht genommene Lieferkettengesetz bleibt weit hinter den Forderungen der Nichtregierungsorganisationen zurück. Aber es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Das zeigen nicht zuletzt die nervösen Reaktionen in den Firmenzentralen, wo man offenbar nicht so genau hinschauen möchte. Die Verantwortung für die Lieferkette kann nun nicht mehr einfach abgelehnt werden.
Für die Werkstatt Ökonomie ist das Gesetz trotz der großen Defizite Ermutigung. Hartnäckige Lobbyarbeit – zumal im Verbund zahlreicher Akteure – zeigt Wirkung. Das ist Ansporn, bei Wirtschaft, Politik und Konsumenten/innen weiterhin genaues Hinschauen einzufordern und diesen auf die Finger zu schauen.
Das vergangene Pandemiejahr war für die politische Arbeit nicht einfach. Fast im Wochenrhythmus mussten Arbeitsformen und Kommunikationsformate umgestellt und angepasst werden. Trotz dieser Probleme konnte die Arbeit der Werkstatt Ökonomie zuverlässig fortgeführt werden. Die zunächst der Not geschuldete Nutzung von digitalen Formaten hat letztlich auch neue Möglichkeiten eröffnet. Manches wird weiter bestehen.
Die Einschränkungen haben allerdings auch deutlich vor Augen geführt, dass politische Arbeit menschliche Begegnung und den persönlichen Dialog braucht.
Der Vorstand hofft mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Werkstatt Ökonomie, dass es bald wieder mehr direkte Kontakte und Kooperationen geben kann und bedankt sich für das große Engagement in einem nicht einfachen Jahr. (Vorwort unserer Vorständin Barbara Riek)
Inhaltsübersicht
Werkstatt Ökonomie
- Vorwort
- Vorstand und Team
- Vision & Mission
- Die Werkstatt Ökonomie stellt sich vor
- Initiative Transparente Zivilgesellschaft
- Freiwilliges Ökologisches Jahr
Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika
- Schulpartnerschaftsseminar „Fiese Früchtchen“
- Grundeinkommen aktueller denn je
- Das Schuldenthema ist zurück
- Online-Gespräch „Sambia: Zwischen Wirtschaftskrise und politischer Unsicherheit“
- Die BASF und das Lieferkettengesetz
- AfCFTA: Zur kritischen Begleitung der Panafrikanischen Freihandelszone unter Corona-Bedingungen
- Reihe „60 Jahre afrikanische Unabhängigkeit. Eine kritische Bilanz“
Religion und Transformation
- „Willkommen im digitalen Anthropozän“ – Einstiegsjahr in Coronazeiten
- GreenFaith International Network: Weltweiter Launch des interreligiösen Klimanetzwerkes
Wirtschaft & Menschenrechte
- Initiative Lieferkettengesetz: Ein starkes Bündnis für verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten
- Auch in Baden-Württemberg wieder möglich: Verbote von Grabsteinen aus Kinderarbeit
- Erfolgreiche Fachkonferenz „Natursteine aus verantwortlichen Lieferketten“
- Neue Wege zu Spielzeug aus verantwortlicher Produktion: Fair Toys Organisation gegründet
- Wir sind FTO: Auszüge aus einem Interview mit Uwe Kleinert
- Finanzübersicht 2020
- Anhang 1: Publikationen
- Anhang 2: Termine
Bibliographische Angaben
- Werkstatt Ökonomie (2021): Jahresbericht 2020, Heidelberg, April 2020, 20 Seiten + Anhang