Artikel „Wir wollen ein Gesetz!”

Brände in Fabriken, Umweltkatastrophen im Bergbau – freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen genügen nicht. Eine breit angelegte Kampagne fordert nun einen gesetzlichen Rahmen.

Wenn sich Unternehmen in ihren Lieferketten freiwillig für die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt einsetzen, ist das gut – aber es genügt nicht. Brennende Textilfabriken, Umweltkatastrophen bei der Ölförderung oder im Bergbau, Kinderarbeit auf Plantagen, Hungerlöhne für Arbeiter*innen, blutige Niederschlagung von Streiks und Verfolgung von Gewerkschafter*innen – immer wieder werden schockierende Missstände auch aus dem Umfeld deutscher Unternehmen bekannt und machen deutlich: Gegen Gewissenlosigkeit und Leichtfertigkeit hilft nur noch ein gesetzlicher Rahmen!

Kampagne startet im September

Eine von zahlreichen kirchlichen, gewerkschaftlichen, entwicklungs- und umweltpolitischen Organisationen getragene Kampagne setzt sich ab September für ein Lieferkettengesetz in Deutschland ein. Es soll Unternehmen verbindlich dazu verpflichten, die Menschenrechte zu achten und die Umwelt zu schützen – nicht nur in den eigenen Betrieben, sondern im Umfeld ihrer gesamten Geschäftstätigkeit überall auf der Welt. Es soll festlegen, dass Unternehmen, die das nicht tun, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Und es soll Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen im Umfeld deutscher Unternehmen Zugang zu Gerichten auch hierzulande ermöglichen.

Die Chance, dass ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, besteht. Im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) vom Dezember 2016 hatte die Bundesregierung die Erwartung geäußert, „dass mindestens 50 % aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten bis 2020 die […] beschriebenen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben.“ Sofern keine ausreichende Umsetzung erfolgt, werde die Bundesregierung „weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen […] prüfen“. Der Koalitionsvertrag von 2018 ist für diesen Fall ausdrücklich angekündigt, dass die Bundesregierung national gesetzlich tätig werden und sich für eine EU-weite Regelung einsetzen will.

Widerstand der Wirtschaft wächst

Doch den Befürwortern in der Regierung, insbesondere im Entwicklungs- und im Arbeitsministerium, bläst inzwischen der Wind ins Gesicht. Reflexartig bringen sich die Wirtschaftsverbände gegen ein Gesetz in Stellung. Als „Unsinn“ bezeichnete Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer  das Vorhaben, menschenrechtliche Sorgfalt verbindlich zu verankern.

Hinzu kommt  ein Gezerre um die Methodik zur Überprüfung der 50%-Marke: Das Wirtschaftsministerium bemüht sich nach Kräften, mit durchsichtigen Tricks dafür zu sorgen, dass das Ziel erreicht wird und das Dogma der Freiwilligkeit unangetastet bleibt. So sollen Unternehmen, die die Anforderungen des NAP fast erfüllen oder bald erfüllen wollen, den „Erfüllern“ zugerechnet werden. Unternehmen, die nicht antworten, sollen bei der Bewertung dagegen außen vor bleiben. Durch solche Verwässerungen wird der Anteil der „Nicht-Erfüller“ kleingerechnet und eine künstliche Grauzone geschaffen, die als Argument gegen die Gesetzgebung dienen soll.

Die Kampagne fordert deshalb ein Lieferkettengesetz ganz unabhängig vom Ausgang des NAP-Monitorings. Es kann nicht angehen, dass ein großer Teil der hier ansässigen Unternehmen – seien es nun 60 oder 40 Prozent – untätig bleibt, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden leichtfertig in Kauf nimmt, dadurch Kosten spart und sich damit einen Kostenvorteil gegenüber vorbildlichen Unternehmen verschafft.

Rückhalt für ein Lieferkettengesetz

Vor diesem Hintergrund geht es im Moment in erster Linie darum, den politischen Kräften den Rücken zu stärken, die für verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten eintreten, und die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen zu mobilisieren, die dieses Anliegen unterstützen. Um die Kampagne in Baden-Württemberg in die Fläche zu bringen, hat sich auch hier ein Netzwerk von kirchlichen, gewerkschaftlichen, entwicklungs- und umweltpolitischen Organisationen zusammengefunden. Dazu gehört auch der Dachverband Entwicklungspolititik Baden-Württemberg.

Das Netzwerk lädt am Freitag, den 11. Oktober, zwischen 16.30 und 20.30 Uhr zu einem Mobilisierungs-Workshop ein. Dort wird es Hintergrundinformationen zur Kampagne und ihren Anliegen, Impulse für unterschiedliche Aktionsformen, ein Argumentationstraining und Angebote zu Lobby- und Bildungsarbeit geben. Der Workshop wendet sich an alle, die dazu beitragen möchten, die Kampagne, die bis 2021 laufen wird, in Baden-Württemberg vor Ort gut zu verankern.
 

Bibliografische Angaben

Uwe Kleinert (2019): Wir wollen ein Gesetz! In: Südzeit Nr. 82, September 2019, S. 17