Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann: Tagung der Deutschen Kommission Justitia et Pax

Am 16. Juni lud die Deutsche Kommission Justitia et Pax anlässlich der Veröffentlichung der Studie „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ zu einer hybriden Tagung im Haus der Wirtschaft in Berlin ein, in deren Mittelpunkt die Frage stand, welche Hemmnisse einer sozial-ökologischen Transformation aktuell im Weg stehen. Verfasst wurde die Studie von der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“, die bei der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz angesiedelt ist.

Ich wurde eingeladen, neben Vertreter:innen aus der Wirtschaft und Wissenschaft die Studie zu kommentieren. In meinem kurzen Input machte ich darauf aufmerksam, dass mich die Studie an vieles erinnerte, was ich in den letzten Jahren von diversen Klima- und Weltsystemforscher:innen, vom WBGU, vom Weltklimarat (IPCC) und anderen Gremien gehört und gelesen habe. Das lege nahe, dass die Menschheit heute nicht in erster Linie ein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem hat. Dieses können wir nur lösen, indem wir die Frage nach Strategien und Aktionsformen zur Stärkung der „Agents of Change“ in den Mittelpunkt stellen. Mit dieser Herausforderung kommt der Zivilgesellschaft als wichtige Akteurin für den Wandel eine besondere Bedeutung zu, der sie nur gerecht werden kann, wenn sie neue Formen des Engagements findet, ihre eigene Fragmentierung überwindet, die Entwicklung neuer konfliktbereiter Formen der Einmischung vorantreibt, Lösungsvorschläge für bisher kaum bearbeitete Problemfelder fördert und Wege zur Mehrheitsfähigkeit erarbeitet.

Ausgehend von diesem „Handlungsproblem“ war es mir wichtig zu vermitteln, dass die Überschrift „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ einen Anspruch erhebt, dem die Studie nicht wirklich gerecht wird. Es ist zu begrüßen, dass diese Studie die Ebene der Kommunikationswege und der Sprache anspricht. Dies ist wichtig angesichts der Tatsache, dass viele Organisationen, die an der sozio-ökologischen Transformation zu arbeiten glauben, viele Milieus nicht erreichen, auf die es bei dieser Aufgabe auch ankommt. Um Menschen in diesen Milieus mitzunehmen, ist es wichtig, mobilisierende positive Visionen und Narrative zu präsentieren. Aber damit diese neuen Narrative nicht entpolitisiert wirken, müssen sie von einer Strategie begleitet werden, welche die bestehenden Verhältnisse mit den dahinterstehenden Kräften in Angriff nimmt.

In dieser Hinsicht scheint mir der in der Überschrift erhobene Anspruch zu hoch gegriffen zu sein, zumal die Studie selbst nur Teilbereiche analysiert und diese Analyse den Eindruck entstehen lässt, dass das Drehen an ein paar Stellschrauben hier und da ausreichen würde, um die sozio-ökologische Transformation zu erreichen. Für die Anschlussfähigkeit an die Politik und das vorherrschende Gesellschaftsmodell mag diese Strategie nachvollziehbar sein, aber der notwendige fundamentale Systemwandel bleibt unbefriedigend adressiert. Letzterer verlangt einen radikalen Wandel der epistemischen Koordinaten, die alle Lebensbereiche durchdringen. In dieser Hinsicht kommt dem kulturellen Wandel, zu dem die Kirchen mit ihren Traditionen guten Lebens einen großen Beitrag leisten können.

In diesem Zusammenhang ist auch die Notwendigkeit der Heilung des Blickes oder der Blicke auf die Gesellschaften des Globalen Südens notwendig, um ihre möglichen Beiträge zu einer Kultur des Wandels würdigen zu können. Bei der sozio-ökologischen Transformation geht es in letzter Konsequenz darum, eine Welt aufzubauen, die vielfältig gestaltet sein muss. Wichtig ist dabei, überall die Suche nach kollektiven Entfaltungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt zu stellen, die andere Ziele begünstigen als den materiellen Wohlstand auf Kosten von Umwelt und sozialen Beziehungen. Genau in dieser Hinsicht lohnt es sich, dass Studien wie diese die Resilienz vieler Gesellschaften des Globalen Südens, die Lebensbejahung der Menschen und die Lebensfreude, die sie trotz widrigster Lebensbedingungen ausstrahlen, sichtbar machen würden, anstatt den Globalen Süden auf Probleme wie etwa „Bevölkerungsentwicklung“ zu reduzieren. Um Lernfähigkeit gegenüber den Beiträgen der damals kolonisierten Gesellschaften zu entwickeln, brauchen wir eine Heilung des kolonialen Blickes. Zu den Aufgaben der sozio-ökologischen Transformation gehört es auch, die Pluralisierung der Narrative, des Wissens und der Wissensproduktion voranzubringen. Nur so kann es gelingen, alle intellektuellen, moralischen und spirituellen Ressourcen, über die die Vielfalt der Menschheit verfügt zu mobilisieren und in den Dienst der Transformation zu stellen. Es kommt darauf an, innovative Wege zu gehen, anstatt gescheiterte Gesellschaftsmodelle immer wieder neu zu färben und zu legitimieren.