Über den Ausgang der August-Wahlen in Simbabwe ist an anderer Stelle (KASA) bereits berichtet worden. Zur Erinnerung: Präsident Emmerson Mnangagwa wurde mit 52,6 Prozent im Amt bestätigt, während Nelson Chamisa 44 Prozent erhielt. Chamisa sprach von Wahlbetrug, focht das Ergebnis jedoch nicht an, da die gesamte Justiz korrumpiert sei und damit eine Klage keine Chance hätte.
Zanu-PF sorgt für Zweidrittelmehrheit
Im Parlament verlor die regierende Partei Zanu-PF ihre Zweidrittelmehrheit um 11 Sitze. Diese braucht sie jedoch, wenn sie etwa den Staatshaushalt mit massiven Steuererhöhungen oder neue Gesetze verabschieden will. Denn die bürgernahe Opposition hätte diese weitreichenden Steueränderungen sicher nicht mitgetragen. Sosah sich die Zanu-PF gezwungen, sich die fehlenden Stimmen auf ander Weise zu sichern. Sie inflitrierte die CCC und organisierte die Entlassung deren Parlamentsmitglieder.
Der angebliche Interims-Generalsekretär der CCC, Sengezo Tshabangu, rief 14 Abgeordnete und 17 Ratsmitglieder mit der Begründung zurück, sie wären keine Parteimitglieder mehr. Der Sprecher des Parlaments akzeptierte diese Abberufung, ohne dass Tshabangu sich hätte ausweisen müssen, und wies gleichzeitig den Einspruch von Seiten der Opposition, Tshabangu hätte keine Rolle in der Partei, zurück. Die Abberufungen führten verfassungsgemäß zu Nachwahlen, die am 9. Dezember 2023 und am 3. Februar 2024 stattfanden. Die Zanu-PF konnte ihre Mehrheit aufgrund der schwachen Opposition ausbauen und besitzt nun wieder eine Zweidrittelmehrheit.
Chamisa hat bei der Gründung der Partei auf eine klare Führungshierarchie, wie sie in Parteien üblich ist, verzichtet und sich dabei bei den älteren und erfahrenen Parteimitgliedern wie Tendai Biti und Welshman Ncube nicht unbedingt beliebt gemacht. Damit war alle Macht in seiner Person vereint, und dies wurde ihm nun zum Verhängnis.
„Sein Versuch, eine strukturlose Partei zu gründen, ist gescheitert“, kommentiert Ibbo Mandaza, Direktor des in Harare ansässigen Think-Tanks Southern African Political Economy Series Trust (SAPES), in einem Bericht von Al Jazeera im Februar 2024. Parteimitglieder von CCC hingegen behaupten, es hätte sehr wohl eine Struktur gegeben, ansonsten wäre ein solcher – zudem noch erfolgreicher – Wahlkampf nicht möglich gewesen. Tatsache aber ist, dass die klassischen Funktionen wie etwa die eines Generalsekretärs nicht besetzt waren und somit für die Zanu-PF eine einfache Möglichkeit bestand, die Partei zu infiltrieren und quasi zu übernehmen.
Lange Geschichte der Schwächung der Opposition
Historisch betrachtet, mündete der erste Versuch einer Zerstörung der Opposition in einen genozidalen Akt, bekannt als Gukurahundi. In den 1980er-Jahren, im neu gegründeten Simbabwe, verfestigte Mugabe seine Machtbasis, in dem er Joshua Nkomo, Führer der überwiegend von Ndebele unterstützten Zimbabwe African People’s Union (Zapu), zwang, sich mit der Zanu zusammenzuschließen: Unter dem Vorwand, die Zapu würde einen weiteren Bürgerkrieg anzetteln wollen, schickte er die in Nord-Korea ausgebildete Fünfte Brigade ins Matabeleland und ließ die Zivilbevölkerung unter dem Vorwurf des Sympathisierens mit den Abtrünnigen niedermetzeln. Präsident Mnangagwa war zu der Zeit Minister für innere Sicherheit und hatte das Oberkommando über die Streitkräfte und damit auch über die Fünfte Brigade.
Bis Ende der 1990er-Jahre war Simbabwe ein Einparteienstaat unter der Führung von Robert Mugabe. Erst dann begann sich in Simbabwe eine neue zivilgesellschaftliche Opposition zur Regierungspartei zu etablieren, die einerseits aus der Gewerkschaftsbewegung, andererseits aus der Kampagne für eine Verfassungsreform entstand und 1999 in die Gründung einer politischen Partei, der MDC (Movement for Democratic Change) mit Morgan Tsvangirai als Präsidentschaftskandidaten mündete.
Nicht alle waren damals mit der Gründung einer Partei einverstanden, denn als zivilgesellschaftliche Bewegung besetzte die MDC nun den gesamten politischen Raum. Das führte zu einer Polarisierung der politischen Debatten – es gab nur noch ein entweder MDC oder Zanu-PF. Weder entstanden relevante weitere Parteien noch ließ sich Politik jenseits von Parteipolitik denken, dafür sorgte die Regierungspartei. Darunter litten selbst eher apolitische aus dem Ausland geförderte Entwicklungsprojekte, da nun eine politische Komponente des „regime change“ implizit gefordert wurde.
Als Tsvangirai 2018 starb, behauptete Nelson Chamisa, dieser habe ihn vor seinem Tod zum Vorsitzenden der Oppositionspartei ernannt, erklärte sich bei seiner Beerdigung zum Parteivorsitzenden und kandidierte 2018 unter der MDC für das Präsidentenamt. Die Oppositionspartei nahm großen Schaden an den folgenden internen Führungsstreitereien. Das führte dazu, dass Chamisa 2022 die CCC gründete und eine zersplitterte MDC zurückließ, die bei den Wahlen im August 2023 auf unter ein Prozent bei der Präsidentschaftswahl kam.
Am 25. Januar, zwei Jahre nach der Gründung der CCC, trat Nelson Chamisa zurück und hinterließ damit ein Vakuum sowohl in seiner Partei als auch in der Oppositionslandschaft, die bisher keine andere Partei füllen konnte. Chamisa behauptete, er hätte die Partei aufgrund der Infiltration verlassen, und widersprach den Gerüchten, er hätte bereits wieder eine neue Partei gegründet. „Man läuft nicht vor einer Partei davon, die man anführt, weil sie infiltriert worden ist. Wenn man die Kontrolle hätte, würde man Infiltratoren hinauswerfen“, sagte der politische Beobachter Alexander Rusero gegenüber Al Jazeera. Er fügte hinzu, dass Unterwanderung für politische Parteien an der Tagesordnung sei und Chamisa lernen müsse, damit zu leben, wenn er in der Politik bleiben wolle.
Public Space
Die Zerstörung der Opposition und das damit entstandene Vakuum könnten auch eine Chance für die Demokratie in Simbabwe sein, ist aus verschieden zivilgesellschaftlichen Quellen zu hören. Jenseits von Parteipolitik, von charismatischen Führungspersönlichkeiten, bedarf Simbabwe wieder Debatten über Inhalte. In früheren Jahren, als die MDC noch als echte Alternative zur Wahl stand, hörte man Stimmen, die betonten, sie wären eigentlich mit dem Wahlprogramm, den Idealen und Grundprinzipien, die die Zanu-PF auf dem Papier stehen hat, weitaus mehr zufrieden, als das, was sie von der MDC zu hören bekommen. Weil jedoch Papier bekanntlich geduldig ist und die Regierungspartei in sich zerstritten und weit davon entfernt war, ihre eigenen Manifeste umzusetzen, wählten viele die Opposition, ließen sich für einen Wandel, verhaften, foltern oder gar umbringen. Es war fast immer eine Wahl GEGEN etwas anstatt FÜR etwas, da die Opposition nie wirklich viel Inhaltliches vorzuweisen hatte. Und die CCC hatte vor den Wahlen noch nicht mal ein offizielles Wahlprogramm vorgelegt.
Wer also ist die Zivilgesellschaft und was bedeutet Demokratie für sie in Simbabwe? Wie kommt die Bevölkerung wieder dazu, politischen Raum einzunehmen und ihre eigenen Prinzipien aufzustellen? Wo ist dafür der Rahmen, wer kann solch einen Prozess anstoßen und moderieren? Und was würde das etwa für die nächsten Wahlen bedeuten?
Fragen, die sich nicht nur auf Simbabwe beziehen, sondern weit über die Region hinaus reichen. Es geht um Fragen der Führung, der intergenerationellen Gerechtigkeit und um eine Feminisierung der Politik. Organisationen, die sich mit Teilaspekten beschäftigen, gibt es auch in Simbabwe. Doch die Frage bleibt offen, wie dieses Vakuum gefüllt werden kann, wer den Anfang macht, um eine neue Bewegung ins Leben zu rufen. Ist es vielleicht im 21. Jahrhundert ein digitaler Raum? Oder werden gerade hier wieder die Menschen im ländlichen Raum nicht mitberücksichtigt, wie das auch in den bisherigen Demokratiebewegungen der Fall war, die sich hauptsächlich aus dem städtischen Milieu speisten? Welche Rolle könnten die Kirchen, etwa der Simbabwische Kirchenrat ZCC, dabei spielen?
Zersplitterung innerhalb er Zanu-PF geht weiter
In der Zwischenzeit bleibt den meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen nichts übrig, als mit den Willigen unter den Zanu-PF-Funktionär:innen zusammenzuarbeiten. Nicht alle skandieren „2030 – VaMnangagwa vanenge vachipo“ („Mnangagwa wird 2030 noch im Amt sein“). Für seine dritte Amtszeit müsste der dann 88-jährige Mnangagwa die Verfassung wieder ändern lassen, was ein weiterer Grund für die Erlangung der Zweidrittelmehrheit im Parlament war. Anscheinend ist sein Stellvertreter Constantino Chiwenga anderer Meinung, was die innerparteilichen Fraktionskämpfe neu entfacht hat, wobei Mitglieder, die mit letzterem verbündet sind, auf den Rücktritt Mnangagwas drängen.
Angeblich gab es eine Vereinbarung unter den Putschisten von 2017, dass Mnangagwa die Amtszeit von Robert Mugabe zu Ende führen und eine weitere Amtszeit absolvieren würde, um der Machtübernahme ein ziviles Gesicht zu geben und eine offene Verurteilung durch regionale und internationale Blöcke zu vermeiden, bevor er die Macht an seinen Verbündeten Chiwenga für die Amtszeit 2023-2028 übergeben würde. Doch Chiwenga wurde krank und Mnangagwa kandidierte 2023 für eine zweite Amtszeit, mit der Absicht, auch eine dritte anzuschließen.
Während der Machtkampf in den politischen Parteien weiter tobt, wächst der Schuldenberg unaufhörlich an, ist eine Entschuldung von Seiten internationaler Gläubiger immer weiter entfernt und damit auch frisches, internationales Geld.
Für die Wirtschaft ist ebenfalls keine Besserung in Sicht. Viele hatten bei dem Ausgang der Wahlen im August darauf gehofft, dass es wieder eine Koalitionsregierung geben würde. Denn in den vergangenen Jahren war die Government of National Union GNU zwischen MDC und Zanu-PF, die von 2009 bis 2013 regierte, die erfolgreichste. Unter Finanzminister Tendai Biti erholte sich die Wirtschaft und verzeichnete ein Wachstum von 10,5 Prozent pro Jahr.
Die schwache Wirtschaft trifft die Mehrheit der Bevölkerung sehr, die bereits durch hohe Arbeitslosigkeit und Inflation schwer gebeutelt sind. Jetzt hat die Regierung als Ausweg die Steuerlast deutlich erhöht. Dies umfasst etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Einführung einer Gebühr von 0,02 US-Dollar pro Gramm Zucker in Getränken. Das Finanzministerium erhöhte auch bestimmte Treibstoffabgaben, Maut- und Reisepassgebühren oder Gebühren für Fahrzeuganmeldungen. Auch Unternehmen sollen fortan mehrwertsteurpflichtig werden, wenn ihr jährliches Einkommen 25.000 US-Dollar übersteigt. Immobilienbesitzer:innen sollen künftig ein Prozent des Marktwerts von Wohnimmobilien mit einem Mindestwert von 100.000 US-Dollar bezahlen. Ein großer Aufschrei ging durch die Bevölkerung angesichts der Mehrbelastung, denn das Finanzministerium behält sich vor, die Steuern laufend der Inflation anzupassen, die bereits bei 700 Prozent liegt.
Auch wenn die Regierung explizit Unternehmen und die Reichen in diesem Steuerpacket benennt und auch ihre Verantwortung für die Allgemeinheit hervorhebt, zeigt doch die Erfahrung, wie sich einige aus der Verantwortung durch gute Beziehungen oder Korruption herauswinden können. Ein gutes Beispiel ist die Verabschiedung eines Gesetztes in 2022, nachdem kein unverarbeitetes Lithium das Land verlassen darf. Doch laut Centre for Natural Resource Governance in Harare können alle vier operierenden Lithiumminen, die von chinesischen Investoren betrieben werden, rohes Lithium weiterhin ausführen. Aufgrund ihrer Nähe zum simbabwischen Militär ist es ihnen gelungen, an Ausnahmeregelungen zu gelangen. So wird es wohl auch wieder die superreichen Eliten mit genügend einflussreichen kontakten nicht treffen, wenn ihre Immobilien bewertet werden.
Und täglich grüßt das Murmeltier…