Vom 14. bis 17. 11. fand in Berlin das Dekoloniale Festival statt. Anlass war der 140. Jahrestag des Beginns der Berliner Konferenz (15.11.1884 – 26.02.1885), bei der die Prinzipien für die Aufteilung des afrikanischen Kontinents festgelegt wurden. Das Festival bestand aus verschiedenen Aktivitäten: dezentralen Ausstellungen, einem Theaterstück, einer dekolonialen Stadtführung und der dekolonialen Berliner Konferenz.
Letztere unternahm den Versuch, die komplexen Beziehungen zwischen den ehemaligen Kolonialmächten und ihren ehemaligen kolonisierten Gebieten auf dem afrikanischen Kontinent zu beleuchten. Diskutiert wurden die Schwerpunkthemen Menschenrechte, Antirassismus, Migration, Wirtschaftsbeziehungen und Reparationen. Bei all diesen Themen ging es nicht nur darum, die historische Berliner Konferenz mit allem, was sie ausgelöst hat, kritisch zu beleuchten, sondern vor allem darum aufzuzeigen, wie Logik und Geist dieser Vergangenheit sich auf die Gegenwart auswirken und diese weiterhin beeinflussen. 19 Delegierte, die gleiche Zahl wie bei der historischen Konferenz, wurden eingeladen und den fünf Schwerpunkthemen zugeordnet. Jede Gruppe hatte den Auftrag, zwei Forderungen zu formulieren. Die 10 Forderungen, die aus dieser Arbeit resultierten, wurden den anwesenden Vertreter:innen der EU und Großbritaniens übergeben.
Ich wurde eingeladen, die Arbeitsgruppe „Wirtschaftsbeziehungen und grüner Kolonialismus“ zu begleiten. Wie mindestens eine weitere Arbeitsgruppe tat sich auch diese Gruppe schwer, Forderungen zu formulieren, die an Institutionen adressiert werden sollten, die von kolonialen Strukturen profitieren. Die Gruppe erinnerte an ähnliche Auseiendersetzungen der antikolonialen, Antiapartheids- und Bürgerrechtsbewegungen. In den meisten Fällen verzichteten die Unterdrückten auf Forderungen an die Herrschenden. Stattdessen wurden die Mobilisierung und die Unterstützung der Organisierungsprozesse der Unterdrückten verstärkt, damit diese sich selbst befreien. Exemplarisch dafür steht das Kairos-Dokument 1985 in Südafrika, das als Manifest südafrikanischer Befreiungstheologie gilt und in dem südafrikanische Theolog:innen bewusst und dezidiert auf jegliche Forderungen an das Apartheidsregime verzichteten.
Um in dem von den Veranstalter:innen vorgegebenen Rahmen zu bleiben, formulierte die Gruppe, trotz der Feststellung der Sinnlosigkeit der Forderungen an die ehemaligen Kolonialmächte, zwei Forderungen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Beendet die koloniale Ausbeutung und hört auf, Euch mit der sogenannten Entwicklungshilfe zu belügen, denn ihr wisst, dass diese nicht wiedergutmachen kann, was Afrika durch ungerechte Handels-, Finanz-, Schulden-, Rohstoff- und Energiepolitik weggenommen wird. Die Gruppe beendete ihre Stellungnahme mit dem Hinweis darauf, dass es im Lauf ihrer Diskussionen deutlicher wurde, dass die Hauptverantwortung für die Befreiung Afrikas aus den kolonialen Fängen von Menschen in Afrika und seiner Diaspora selbst übernommen werden muss. Die Gruppe hatte sich über die notwendigen Strategien zu diesem Zweck austauscht, diese aber für entsprechende afrikanische und afrodiasporische interne Foren beibehalten, weil sie in diesem Raum der EU-Kommission, in dem die Konferenz teilnahm, fehl am Platz wären.
Mehr zum Dekolonialen Festival 2024 unter: https://www.dekoloniale.de/en/festivals/dekoloniale-festival-2024
Boniface Mabanza