„Das Wohl von Mensch und Umwelt wird zum obersten Ziel des Wirtschaftens.“

Eine Utopie? Ja, aber eine mögliche, gangbar, sagt die Gemeinwohl-Ökonomie und nimmt Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Gemeinden mit auf den Weg einer wertebasierten Transformation. Der Ansatz ist insofern interessant, als er Menschen konkret die Möglichkeit gibt, ihr soziales und ökonomisches Handeln ganzheitlich auf den Prüfstand zu stellen und positiv – im Sinne von nachhaltig – zu beeinflussen, anstatt das bestehende System „nur“ zu kritisieren.

Rund 600 Unternehmen und Organisationen weltweit haben eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, knapp 60 Städte und Kommunen – man sollte meinen, sie seien per se dem Gemeinwohl verpflichtet – arbeiten an der Vision der GWÖ und entwickeln sie weiter. Jetzt machen sich auch die ersten Kirchengemeinden auf den Weg.

Denn gerade Kirchengemeinden engagieren sich seit Jahrzehnten zum Beispiel für Menschenrechte, fairen Handel und Klimaschutz. Doch auch sie müssen feststellen, dass sich die globale Krisensituation trotz dieses großen Engagements weiter zuspitzt: Artensterben, Klimakrise, die Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich usw. nehmen bedrohliche Ausmaße an, und letztendlich steht das Überleben der Menschheit auf dem Spiel.

Die Frage bleibt: Was braucht es und wie könnte es aussehen, dass auch Kirchengemeinden neben und zusammen mit anderen Akteur*innen zu Samenkörnchen des Wandels werden? Wie schaffen wir es, dass diese Samen aufgehen und den spürbaren Umbau unserer Gesellschaft und Wirtschaft hin zur Bewahrung der Schöpfung und einem menschenwürdigen Leben für alle mit anstoßen und vorantreiben?

Der Gemeinwohl-Ökonomie liegt ein wertebasierter und ganzheitlicher Ansatz zugrunde. Die GWÖ legt die Werte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Mitbestimmung und Transparenz als „Maßstab“ für unser Handeln an. Das Wohl von Mensch und Umwelt, ein gutes Leben für alle wird zum obersten Ziel des Wirtschaftens. Unsere Wirtschaftsordnung dagegen misst den Erfolg anhand von Gewinn, Umsatz und Wachstum. Das Wohl von Mensch und Umwelt spielt demgegenüber nur eine nachgeordnete Rolle. Deshalb bedarf es der „Umkehr“.

Kirchengemeinden und kirchliche Unternehmen als Teil unserer Wirtschaft könnten mit der Gemeinwohl-Bilanz ein Instrument an die Hand bekommen, um einen glaubwürdigen Gebrauch ihrer Leitbilder im ökonomischen Kontext ganzheitlich sicherstellen zu können. Zusammen mit anderen Ansätzen wie zum Beispiel Solidarische Ökonomie, Postwachstumsökonomie, ökosoziale Marktwirtschaft würden Kirchengemeinden mit der Gemeinwohl-Bilanz den Hebel am Kern des Problems ansetzen.

Einerseits bedarf es eines großen gesellschaftlichen Drucks, um einen grundsätzlichen Wandel in Politik und Wirtschaft herbeizuführen. Und andererseits ist es genauso wichtig, den Wandel „im Kleinen“, auf der lokalen Ebene, bei den einzelnen Akteur*innen, etwa den Kirchengemeinden, anzugehen und die positive Wirkung sichtbar und spürbar zu machen.

In einem gerade im Entstehen begriffenen Pilotprojekt will die Werkstatt Ökonomie versuchen, Kirchengemeinden mit der GWÖ zusammenzubringen und zu begleiten. Kooperationspartner sind derzeit einige Abteilungen der badischen Landeskirche. Die katholische Seite und benachbarte Landeskirchen sollen zur Mitarbeit eigeladen werden.