Botswana: Rückkehr zum Ausnahmemodell?

Lange galt Botswana als Vorbild in Afrika in vielerlei Hinsicht. Dieses Image bekam in den letzten Jahren einige Kratzer. Die letzten Wahlen, die zum ersten Machtwechsel zwischen verschiedenen politischen Parteien führten, öffneten den Weg zur Rehabilitation von Botswanas Rolle in der Region und auf dem Kontinent. So gesehen steht die neu gewählte Regierung unter starker Beobachtung.

Machtwechsel ohne Geräusche

Dass die Regierungspartei Botswanas “Botswana Democratic Party“ der Versuchung widerstand, die Wahlen zu manipulieren, als es immer deutlicher wurde, dass mehr und mehr ihrer Kandidat:innen ihre Parlamentssitze verloren, ist für Botswana zugleich bemerkenswert und normal. Bemerkenswert ist es angesichts der langen Geschichte der mit extremer Gewalt verbundenen Wahlmanipulationen im Südlichen Afrika. Jüngste Beispiele hierfür sind Angola, Malawi, Simbabwe, die DR Kongo und Mosambik. Ein Stück Normalität ist dies, weil Botswana bescheinigt wird, über unabhängige Institutionen in den zentralen Bereichen der Justiz, der Korruptionsbekämpfung und Demokratieverwaltung zu verfügen. Von unabhängigen Institutionen ist es normal zu erwarten, dass sie den Willen der Bevölkerung respektieren, auch wenn dies der Macht der Partei, die das Land in die Unabhängigkeit geführt hat und es seit sechs Jahrzehnten ununterbrochen regiert, ein Ende setzt und dem Umgang mit freien Wahlen in einigen Ländern der Region entgegenläuft. An den Gründen der Abwahl der Demokratischen Partei Botswanas ist allerdings erkennbar, dass in Botswana die Messlatte viel höher hängt als in manch anderen Ländern der Region.

Die Rache der Diamantenabhängigkeit

Nach Einschätzung vieler Expert:innen aus dem Südlichen Afrika ist die schockierende Niederlage der regierenden Demokratischen Partei Botswanas vor allem auf die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme zurückzuführen. Der Rückgang des globalen Diamantenhandels habe in Botswana zu einer wirtschaftlichen Stagnation geführt. Das Wirtschaftswachstum sei in diesem Jahr auf 1 % gesunken, während die Arbeitslosigkeit auf 28 % stiege. Dass diese schwache Konjunktur in der unmittelbaren Postcorona-Ära und in Zeiten des Ukraine-Krieges mit seinen Auswirkungen auf die Energiepreise und auf die globale Konjunktur, Wut in Botswana verursacht, spiegelt Ansprüche wider, die im regionalen Vergleich als hoch eingestuft werden können. Was in Botswana zu so einer Entwicklung führt, ist in Südafrika und Namibia längst schon Normalität geworden, von den Verhältnissen in Simbabwe, Angola oder Mosambik ist ganz zu schweigen, auch wenn in den drei letzten Ländern Wahlen aufgrund von Manipulationen und Einschüchterungen keine Messinstrument für die Wut der Bürger:innen darstellen. Die Ansprüche der Menschen in Botswana und die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Stagnation sprechen zunächst einmal für die bisherige Regierungspartei Botswanas. Sie hat nicht nur einen relativ guten Deal mit dem Diamantengiganten De Beers ausgehandelt, sondern vor allem die Rohstoffeinnahmen, anders als die Regierenden in Südafrika, Simbabwe, Angola oder Mosambik, dafür genutzt, Investitionen in Gesundheit, Bildung, Infrastrukturen und soziale Wohlfahrt zu tätigen. Dennoch muss sich die Führung der geschiedenen Regierungspartei Botswanas vorwerfen lassen, ihre in den letzten Jahren immer wieder angekündigte Strategie der Diversifizierung der Ökonomie, um für die Zeiten nach dem Boom der Diamantenökonomie zu sorgen, nicht schnell genug umgesetzt zu haben. Dies ist ihr in diesen Zeiten schwacher Konjunktur des Diamantenhandels zum Verhängnis geworden, aber nicht nur das.

Rückkehr zum Ausnahmemodell Botswanas?

Es wäre zu einfach, die Abwahl der Demokratischen Partei Botswanas auf die wirtschaftliche Lage als singulären Faktor zurückzuführen. Die Auswirkungen der schwachen Konjunktur mögen der wichtigste Faktor sein, aber sie gewinnen ihre volle Bedeutung für das kleine Beben, das Botswana erlebt hat, nur in Kombination mit vielen anderen Aspekten. Zu erwähnen ist unter anderem die Müdigkeit gegenüber der Partei, die seit der Unabhängigkeit vor 60 Jahren das Land regiert. Diese hat u.a. davon gelebt, in entscheidenden Phasen der Geschichte dieser Nation charismatische Persönlichkeiten gehabt zu haben, die eine Art Erneuerung von innen verkörperten. Jeder der Staatschefs bis zur Präsidentschaft von Mokgweetsi Masisi hat das Land in besonderer Weise geprägt. Der Gründungspräsident Botswanas beispielsweise, Seretse Khama, war außerordentlich einflussreich bei der Gestaltung der Entwicklung des Landes. Sein Beharren auf Inklusion, der Glaube an die Demokratie und die Verwendung nationaler Ressourcen für die Interessen der Allgemeinheit statt für den persönlichen Vorteil sind auch heute noch wichtige Merkmale der politischen Kultur Botswanas.

Quett Masire konsolidierte diesen Kurs und war entscheidend für die Verhandlungen mit De Beers hinsichtlich der Teilung und Besteuerung der Einnahmen aus der Diamantenproduktion. Dann kam Festus Mogae, der für seine mitfühlende Führungspersönlichkeit bekannt ist. Seiner Entschlossenheit ist es zu verdanken, dass Botswana sich dem Kampf gegen die HIV/AIDS-Epidemie verschrieb, Jahre bevor das Problem anderswo ernsthaft angegangen wurde. Ian Khama widmete sich dem Schutz der Natur und dem Ökotourismus. Er war auch ein wahrer Verfechter des Schutzes der ökologischen Ressourcen des Landes und förderte einige der strengsten Anti-Wilderei-Politiken und -Praktiken der Welt.

Nach ihm kam mit Mokgweetsi Masisi jemand an die Macht, unter dessen Führung sehr schnell der Eindruck entstand, dass das viel gepriesene Modell Botswanas in vielerlei Hinsicht in Gefahr stand. Im Umweltbereich wurden einige Maßnahmen der Vorgängerregierung aufgehoben oder gelockert: das Verbot der Jagdtrophäen, die Erweiterung der Naturschutzgebiete und der absolute Schutz von Elefanten – zugegeben oft auf Kosten der Lebensgrundlagen der Bäuer:innen und zum Teil auch des menschlichen Lebens. Das politische Klima verschlechterte sich so unter Mokgweetsi Masisi, dass sich sein Vorgänger gezwungen sah, ins Exil nach Südafrika zu gehen. Erst im September dieses Jahres kehrte er zurück. Was Botswana Reputation in Afrika und in der Region verschaffte, war eine kritische Haltung seiner Eliten den kontinentalen und regionalen Instanzen gegenüber. Botswanas sukzessive Regierungen bis Mokgweetsi Masisi verstanden wussten es, Distanz zu den vielen auf dem Kontinent organisierten Talk Shows zu wahren, die oft nicht viel bewirken, aber den nationalen Regierungen durch die Reisetätigkeiten der Staats- und Regierungschefs viel Geld kosten. Nicht nur brach Mokgweetsi Masisi mit dieser gut überlegten politischen Kultur Botswanas, sondern – und das ist für Botswanas Reputation gravierender – es fanden einige seiner Reisen anlässlich von Amtseinführungen von Staatschefs wie Emerson Mnangagwa von Simbabwe und Felix Tshisekedi vom Kongo statt, deren Wahlen aufgrund von Manipulationen und Einschüchterungen sehr umstritten waren. Es sind solche Handlungen, die viele Menschen in der SADC-Region zur Schlussfolgerung verleiteten, dass Botswana unter Mokgweetsi Masisi seine Rolle als moralische Instanz in der SADC verlor. Bis auf Sambia unter dem verstorbenen Präsidenten Levy Mwanawasa war Botswana lange das einzige Land der SADC-Region, das konsequent die Menschenrechtsverletzungen des Mugabe-Regimes und seine Verachtung des SADC-Protolles über demokratische Wahlen verurteilte. So eine Haltung war unter Mokgweetsi Masisi nicht mehr denkbar. So gesehen steckt in der Abwahl der Botswana Democratic Party (BDP) mehr als die Sehnsucht nach erneutem Wirtschaftsaufschwung in Botswana. Es wird auch erwartet, dass das Land seine Rolle als eine Art moralische Instanz in der Region wieder wahrnehmen kann. Diese Rolle ist nur glaubwürdig möglich, wenn Botswana die damit verbundenen Werte wie partizipativer Demokratie, guter Regierungsführung und Bekämpfung der Ungleichheiten nach innen konsequent lebt. Diese Erwartung, der Vorbildfunktion gerecht zu werden, ist für viele Menschen in Botswana der Weg für einen Beitrag zur Konsolidierung einer den Menschen dienenden regionalen und kontinentalen Integration. Für diejenigen, die sich in Mosambik, Angola, DR Kongo und Simbabwe für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, würde diese Rückkehr Botswanas zu dieser Vorbildfunktion Hoffnung bedeuten. Es ist die Hoffnung, dass etwa die demokratischen und Menschenrechtsstandards der SADC nicht auf dem Altar der unkritischen Solidarität mit den Eliten geopfert wird. Auf dem gewählten Präsidenten Duma Boko und seiner Koalition Umbrella for Democratic Change lasten große Hoffnungen von innen und außen.