9 decades for justice and peace - Contextualising Desmond Tutu

„The Arch“ ist von uns gegangen. Er starb an Weihnachten nach einem erfüllten Leben. In der Vorbereitung auf die Tagung haben wir uns viel mit seinem Leben und Wirken, seinen Worten und Werken auseinander gesetzt. Es war uns während der Vorbereitung immer bewusst, dass er sterben könnte. Doch er hat die Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag miterlebt und war durch die Stiftung, vertreten durch Edwin Arrison auch bei der Tagung vertreten. Wir sind sehr dankbar für die Erfahrung.

Zeitungen und Internet sind voll von Nachrufen, wir wollen es dabei belassen und uns noch einmal mit der Idee der Tagung beschäftigen, nachlesen, was Desmond Tutu zu den Fragen unserer Zeit sagen würde, wenn er noch unter uns wäre. Das ist, eines seiner stärksten Vermächtnisse: Stellung zu beziehen für die Rechtlosen, immer und überall. Ob es für die Mächtigen, seine Kirche oder für ihn selbst bequem ist oder nicht. Das ist die Weihnachtsbotschaft.

Möge seine Seele in Frieden ruhen und möge er in unseren Worten und Werken weiterleben.

 

Zu Beginn des Aufenthalts des KASA-Teams in Cape Town fand am 13. November die Veranstaltung „Contextualising Tutu. 9 decades for justice and peace“ online statt. KASA hat diese Tagung gemeinsam mit der EKD, der EMW und dem South African Council of Churches SACC konzipiert und durchgeführt.

Anlass der Tagung war der 90. Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers und ehemaligen anglikanischen Erzbischofs von Cape Town Desmond Tutu am 7. Oktober, der in Südafrika, in England, in den USA und in vielen anderen Teilen der Welt auf verschiedenste Art gefeiert wurde.

Die Veranstaltung am 13. November brachte Menschen aus verschiedenen Ländern, Backgrounds und sogar Generationen zusammen: Weggefährt:innen von Desmond Tutu im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika und in der ökumenischen Bewegung waren genauso präsent wie junge Akademiker:innen oder Pfarrer:innen, die an Universitäten und in Gemeinden in Südafrika heute aktiv sind. Es ist bedauerlich, dass von den über 140 Personen, die sich angemeldet haben, nur knapp die Hälfte es geschafft haben, tatsächlich dabei zu sein. Da die meisten Betroffenen aus dem Südlichen Afrika und Südafrika waren, liegt die Vermutung nah, dass dies mit der Stromversorgung und der damit verbundenen Internetinstabilität zusammenhing, die Mitte November in der ganzen Region aufgrund einer Serie von Pannen an Wasserkraftwerken in Sambia und aufgrund unzureichender Stromversorgung akut war.

Diejenigen, die dabei waren, erlebten spannende Beiträge. Das von den Veranstalter:innen in den Mittelpunkt gestellte Konzept, Tutus Wirken durch Wort und Taten in Beziehung zu heutigen Herausforderungen zu setzen, und danach zu fragen, was seine Botschaft für uns heute sein kann, ist voll aufgegangen. Sowohl die Beiträge im Plenum als auch die Kleingruppen thematisierten Aspekte von Tutus Wirken, die seine Aktualität und seine Anfragen an unsere Zeit auffordern, das Handeln der einzelnen und der vertretenen Institutionen kritisch zu beleuchten.  Was heißt es, in einer von Klimawandel, sozialen Ungleichheiten, Rassismus, Patriarchat geprägten Welt im Sinne von Desmond Tutu zu handeln? Zu fast allen Themen, die für die Menschheit heute relevant sind, scheint Tutu zu seiner aktiven Zeit einen schlauen Spruch formuliert zu haben. Viele seiner Sprüche sind genauso radikal wie humorvoll formuliert. Diese Tagung bot die Gelegenheit, sich mit Tutus Gedanken auseinanderzusetzen. Deutlich wurde, dass die Kirche, ob in Südafrika oder Deutschland, sich auf ihre prophetischen Wurzeln besinnen muss, um angesichts der Probleme der Welt relevant sein zu können.

In diesem Zusammenhang war es interessant, in einem Video-Clip, das bei dieser Tagung zum ersten Mal gezeigt wurde, Stimmen von jungen Menschen zu hören, die gebeten wurden, ihre Meinungen zu Desmond Tutu kundzutun. Eine von ihnen sagte, dass Tutu für sie die Kirche verkörpert, die sie sehen will. In dieser Tagung wurde deutlich, dass es für die Kirchen in Südafrika darauf ankomme, wie Sarojini Nadar es formulierte, sich von der billigen Versöhnung zu verabschieden, die eine Waffe in den Händen derer darstelle, die vom Apartheidsystem profitiert haben. Diese Verabschiedung von dieser billigen Versöhnung gelte auch für den Umgang mit Kolonialismus über Südafrika hinaus. Es sei an der Zeit, die kolonialen Kontinuitäten in der Wissensproduktion und in politischen sowie ökonomischen Praxen wahr- und ernst zu nehmen und alle Kräfte dagegen zu mobilisieren.

Was diese Tagung auch deutlich gezeigt hat, ist, dass zwischen der EKD bzw. evangelischen Kirchen in Deutschland und den südafrikanischen Kirchen, die bei dieser Tagung vertreten waren, große Meinungsverschiedenheiten im Blick auf eines der zentralen Themen Tutus in den letzten Jahren vorliegen: Palästina. Die Unterschiede in der Analyse der Probleme und in den Lösungsansätzen sind so groß, dass diese nicht mehr länger ignoriert werden dürfen.

Audiodateien