Die Vergessenen – FarmarbeiterInnen im Südlichen Afrika

Die Landfrage ist auf dem Hintergrund kolonialer Landenteignung und Apartheid eines der Schlüsselthemen für die gesamte Region des Südlichen Afrikas. Sie polarisiert die Debatten um die postkoloniale Transformation der Region. Für die Befreiungsbewegungen war die Landrückgabe eines der zentralen Versprechen in der Mobilisierung gegen die Kolonialmächte. In Regierungsverantwortung sicherten sich die ehemaligen Befreiungsbewegungen vor Wahlen mit der Erneuerung dieses Versprechens vor allem die Stimmen der Land bevölkerung. Doch eine echte Landreform – sieht man von der chaotischen und gewaltdominierten von 2000 in Simbabwe ab – hat in keiner ehemaligen Siedlerkolonie tatsächlich stattgefunden. Grundsätzlich besteht Konsens darüber, dass die Landfrage Priorität hat und neue Lösungsansätze braucht. Doch bisher fehlt es an Konzepten, die dieser Erkenntnis und vor allem den Bedürfnissen der auf dem Land Lebenden gerecht werden würde.

Simbabwe hat zwar die weitreichendste Umverteilung auf dem gesamten Kontinent erreicht. Das nachgeschobene Konzept ist aber alles andere als erfolgreich, denn die Regierung hat es versäumt, die neuen FarmerInnen zu unterstützen. Rechtsunsicherheit und Willkür prägen den Alltag der Menschen auf dem Land.

Namibia steht durch den Genozid – und vor allem durch die jahrzehntelange verweigerte Anerkennung – in einem ganz besonderen Verhältnis zu Deutschland, denn die heutige Landverteilung und die beschämende Situation der FarmarbeiterInnen haben dort ihren Ursprung.

Die Situation in Sambia unterscheidet sich dadurch, dass bereits in den 1970er Jahren das Land verstaatlicht und die Landwirtschaft staatlich gefördert worden war. Doch mit der sogenannten Demokratisierung in den 1990er Jahren hielt auch die Liberalisierung Einzug in die Wirtschaft und führt Land wieder dem Markt zu.

In Südafrika haben sich trotz des politischen Wandels vor über 20 Jahren die Lebensumstände und Besitzverhältnisse der großen Mehrheit der schwarzen Bevölkerung kaum verändert. Nach wie vor gehören der weißen Minderheit rund 80 Prozent des kultivierbaren Bodens. In den letzten zwölf Jahren sind nur gut vier Prozent umverteilt worden. Die Regierung hat zwar das Scheitern der bisherigen Landreform zugegeben, jedoch noch keine Wege aufgezeigt, die über eine reine marktorientierte Umverteilung hinausgehen würden.

In all den Diskussionen, die um die Landfrage geführt werden, findet die Situation der FarmarbeiterInnen nur wenig Beachtung. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren meist illegal ihre Wohnorte und Lebensgrundlagen verloren. Auf manchen Farmen herrschen nach wie vor sklavenähnliche Verhältnisse. Auch der Streik der FarmarbeiterInnen im Jahr 2012, der im Postapartheid Südafrika zum ersten Mal öffentlichkeitswirksam auf deren Situation aufmerksam machte, hat deren Lage nicht wirklich verbessert. Aufgrund von bürokra tischen und logistischen Hürden haben FarmarbeiterInnen keinen Zugang zu den ihnen in der jeweiligen Verfassung garantierten Rechte. Darüber hinaus sind die existierenden Gewerkschaften schlecht aufgestellt und kaum in der Lage, effektive Lobbyarbeit für FarmarbeiterInnen zu machen. Entwicklungspolitisch ist es von zentraler Bedeutung, sich mit der Situation der FarmarbeiterInnen im Südlichen Afrika auseinanderzusetzen:

Erstens gilt es zu beachten, dass die massiven Menschenrechtsverletzungen in der Landwirtschaft im Südlichen Afrika ein ernst zu nehmendes Problem darstellen, da vor allem zwischen einerseits Namibia und Südafrika und der Europäischen Union, bzw. Deutschland direkte Handelsbeziehungen existieren. Früchte, Weine und Rindfleisch sind auf den deutschen Märkten zu finden und erreichen somit die hiesigen KonsumentInnen. Daher ergibt sich eine Notwendigkeit, hier bei uns über die Arbeitsbedingungen der FarmarbeiterInnen aufzuklären und die Macht der KonsumentInnen zu nutzen, um einen Beitrag zu Veränderungen im Südlichen Afrika zu leisten. Zweitens verfügen FarmarbeiterInnen über wertvolle Erfahrungen in der Landwirtschaft, da sie diejenigen sind, die die konkrete Arbeit auf den Farmen oft seit Generationen leisten. Wenn sie in die Landreformkonzepte mit einbezogen werden, wenn sie Landnutzungsrechte und Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, können auch sie zur entwicklungspolitisch geförderten Ernährungssouveränität beitragen.

Mit je einer Studie aus Sambia und Simbabwe, einem Feature über die Situation in Namibia und einer Bestandsaufnahme der Debatte in Südafrika will diese Broschüre denen, deren Produkte auf unserem Tisch landen, ein Gesicht geben. Zudem will sie ihnen eine Plattform bieten und die Debatte anregen, wie unser Beitrag zur Verbesserung ihrer Lage aussehen könnte.

Bibliographische Angaben

Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) (2016): Die Vergessenen – FarbarbeiterInnen im Südlichen Afrika. Redaktion: Simone Knapp unter Mitarbeit von Renate Of und Katrin Mauch. Heidelberg, Mai 2016, 48 S.