Namibia nimmt Abschied von Hage Geingob

Am 4. Februar starb der Präsident Namibias Hage Geingob im Alter von 82 Jahren nach einer Krebserkrankung. Hage Geingob ist nicht nur der erste Präsident Namibias, der im Amt stirbt, sondern der erste Präsident überhaupt, dessen Tod diese erst seit 1990 unabhängigen Nation zu beklagen hat. Seine beiden Vorgänger Sam Nujoma (94 Jahre alt) und Hifikepunye Pohamba (89 Jahre alt) leben noch. Das KASA-Team war in Namibia, während die Nachricht des Todes des dritten Staatsoberhauptes Namibias bekannt gegeben wurde. Es war deutlich zu spüren, dass diese Erfahrung für Namibia neu ist.

Hage Geingob war in der namibischen politischen Landschaft seit dem Befreiungskampf gegen den Kolonialismus und das Apartheidssystem in verschiedenen Funktionen aktiv. Er vertrat die Befreiungsbewegung SWAPO in Botswana und später in den USA und bei der UN, gilt als einer der Architekten der namibischen Verfassung und war an den Verhandlungen der SWAPO mit der südafrikanischen Kolonialmacht beteiligt, die zur Unabhängigkeit Namibias führten. Nach der Unabhängigkeit begleitete er abwechselnd und ununterbrochen verschiedene Funktionen, bspw. als Premierminister, Handelsminister und Vize-Präsident. Seine Wahl als Vorsitzender der SWAPO und deren Präsidentschaftskandidat brachte der einstigen Befreiungsbewegung neuen Atem. Für seine erste Legislaturperiode stieg der Stimmenanteil der Regierungspartei auf ein Rekordniveau. Vier Jahre später waren die Ergebnisse der Partei und von ihm selbst als Präsidentschaftskandidat auf dem bis dahin tiefsten Niveau - die Partei konnte gerade noch ihre Mehrheit verteidigen. Neben externen Faktoren wie der Krise der südafrikanischen Wirtschaft, von der Namibia sehr stark abhängig ist und anderen konjunkturellen Faktoren der Weltwirtschaft, hat dieser Vertrauensverlust auch damit zu tun, dass Hage Geingob von einem großen Teil der namibischen Bevölkerung als ein Ankündigungspräsident gesehen wurde, der sich schwertat, die großspurig verkündeten Pläne umzusetzen. Die Erwartungen an seiner Person aufgrund seiner Auslandserfahrungen, seiner vermeintlich fachlichen Kompetenz und seiner Erfahrung im Regierungsgeschäft waren sehr groß. Als Handelsminister prangerte er noch die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als koloniales Instrument an und engagierte sich persönlich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Als Präsident wollte er davon nichts mehr wissen. Die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten.

Unter ihm kam der größte Korruptionsskandal in der Fischerei-Industrie Namibias ans Tageslicht. Die zuständigen Minister mussten zurücktreten, aber der politische Schaden blieb auch am Präsidenten haften, der sie ernannt hatte. Als Spitzenpolitiker der SWAPO war er an allen internationalen Verhandlungen beteiligt, die Namibia seit der Unabhängigkeit geführt hat und deren Ergebnisse höchst umstritten sind: die Unabhängigkeitsverhandlungen, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die Fischerei-Abkommen, die Joint Declaration mit Deutschland und nicht zuletzt die Verhandlungen um grünen Wasserstoff, die Namibia weiterhin spalten. So gesehen fällt es schwer, sein Erbe nur in ein positives Licht zu rücken - es enthält viel Licht, aber auch viele Schattenseiten.

Als Panafrikanist habe ich im Laufe der Jahre gelernt, die Vorausgegangenen nicht zu sehr zu kritisieren, u.a. weil sie sich nicht mehr direkt und selbst verteidigen können. Vielmehr habe ich gelernt deren Leistungen als Bausteine wahrzunehmen, auf deren Basis die nächsten Verantwortlichen aufbauen können. Jedenfalls habe ich aus Tansania unmittelbar nach Julius Nyerere, aus Südafrika nach Nelson Mandela und Thabo Mbeki, aus Simbabwe nach R. Mugabe oder etwa Sambia nach Kenneth Kaunda gelernt, um nur in der SADC-Region zu bleiben, wie die Bilanz dieser Pioniere der Unabhängigkeits- und Befreiungsbewegungen, die wir zu Recht scharf kritisierten, im Lichte des beispiellosen Versagens ihrer Nachfolger, eine neue Bewertung bekommen hat. Hage Geingob mag nicht alles erreicht haben, was er sich vorgenommen hat. Immerhin galt er als eine der besten Führungspersönlichkeiten, die die SWAPO zu bieten hatte. So gesehen darf man gespannt sein, wie es in Namibia weitergeht.

 

Links:

https://op.gov.na/documents/84084/1439416/MR_+Announcement+of+the+Passing+of+H.E+Dr+Hage+G.+Geingob%2C+President+of+the+Republic+of+Namibia%2C+04+February+2024.pdf/ef32e9ed-0069-462f-82f7-7b62796bef02

https://www.kasa.de/fileadmin/user_upload/downloads/publikationen/kasa/mabanza_2014_namibia_hat_gewaehlt.pdf

https://www.kasa.de/kommentiert/detail/wahlen-2019-in-namibia-die-swapo-hat-viel-kredit-verspielt/

https://www.kasa.de/fileadmin/user_upload/downloads/publikationen/kasa/mabanza_2013_epa-verhandlungen_nach_zehn_jahren_am_scheideweg.pdf